

Wenn es raus in den Regen gehen sollte, gab es für mich früher eigentlich keine größeren Überlegungen zwecks meiner Bekleidung. Regenschirme haben bei irgendwelchen Sportaktivitäten sowieso nicht so ganz ihren Zweck erfüllt und daher griff ich immer auf meine allbekannte Regenjacke mit Membran zurück. Im Hardshell-Bereich gibt es einige verschiedene Ansätze (Membrantypen), wie mit Dampf vom Schwitzen und dem Wasser von außen umgegangen wird und ich habe auch schon einiges davon benutzt. Kurz gesagt, bei entspannteren Fahrrad- oder Wandertouren mit Regen funktionierten sie alle auch wie sie sollten: Ich blieb von außen trocken und hatte mit den oftmals standardmäßig eingebauten Belüftungsmöglichkeiten genügend Ventilation, um nur wenig zu schwitzen. Das Mountainbiken, Wandern und Bergsteigen bedeutet für mich aber meistens deutlich mehr Anstrengung und daher schien mir die Lösung mit der Hardshell trotzdem nicht ganz optimal auf Dauer. Ich machte mich also schlau, was es für Alternativen gibt, wenn man doch ganz ordentlich beim Sport schwitzt. Erste Erkenntnis: Es gibt tatsächlich sehr viele und vor allem tolle Möglichkeiten, sich gegen Wind und Wetter zu schützen. Allerdings hat jede so ihre „Eigenheiten“ und dennoch absolute Daseinsberechtigung, weil es einfach nicht die Eierlegende Wollmichsau gibt, die jeder Anforderung gerecht werden kann. Eine dieser schönen Alternativen ist meine Jacke von PARAMO, die ich letzten Winter als Testjacke bekommen habe. An der Stelle möchte ich in abgespeckter Form ein paar für mich wichtige Hintergrundinformationen darlegen, die ich sehr interessant und kennzeichnend für die Marke finde, weil sie sowohl Design (aus meiner Sicht eindeutig britisch angehaucht) als auch den Ursprung zur Funktion erklären: Nick Brown, ein Engländer und aufmerksamer Beobachter, hat schon vor über 40 Jahren begonnen mit Imprägnierungen zu experimentieren. Er gründete die Firma NikWax die seit vielen Jahren Funktionswaschmittel und Imprägnierungen entwickelt. Nach einigen Jahren Erfahrung überlegte er sich ein Outdoor-Bekleidungskonzept, das ohne Membran wasser- und windfest funktionieren soll. Daraus entstand PARAMO. Er verband seine Marke PARAMO mit der Miquelina-Stiftung in Kolumbien, einer Stiftung des Frauenordens „Las Religiosas Adoratrices“, welche von einer Nonne aus Kolumbien ins Leben gerufen wurde. Diese Nonne rettete Frauen von der Straße und aus der Prostitution und gab ihnen einen Job bzw. eine Ausbildung in der Näherei. Nick Brown sah dies als Chance seine nun bereits erprobten Imprägnierungen und seine Vorstellungen über hochfunktionelle Regenschutz-Textilien mit einem sozialen Projekt zu vereinen. Mittlerweile werden 80% aller Produkte von PARAMO von den Näherinnen der Stiftung gefertigt.

Miquelina Stiftung, Bogota, Kolumbien – Quelle: Paramo Clothing, https://www.paramo-clothing.de/de-de/ourethics/
Um nicht allzu sehr abzuschweifen geht’s jetzt aber ums Produkt und seine Eigenschaften. Meine PARAMO Enduro Jacket und auch die gesamte Regenbekleidung von PARAMO funktioniert nach demselben Prinzip. Die Technologie basiert, wie bereits erwähnt, auf der von Nick Brown entwickelten PFC-freien Imprägnierung NikWax, und einem sogenannten „Pumpliner“, welcher als erste Schicht direkt an der Haut liegt. Dieser „Pumpliner“ ist das Geheimnis der Klamotte und wurde, wie so Vieles, aus dem Reich der Tiere abgeschaut. Wie bei einem Fell ist dieser Pumpliner an der Seite, die auf der Haut liegt relativ dicht aber auch sehr glatt in seiner Oberflächenstruktur. Auf der anderen Seite (vom Körper weg) sind längere Härchen (Kapillare), die wie ein aufgerautes Fleece aussehen. In Kombination mit der fetthaltigen Imprägnierung kommt also unsere Physik zum Einsatz: Fett verdrängt Wasser an die größtmögliche Oberfläche und das bedeutet, dass nicht nur das Wasser bzw. der Regen von außen auf dieser Außenseite gehalten wird, sondern dass der Schweiß und der Dampf natürlich auch sofort an diese Außenseite transportiert werden. Dampf geht durch die enge Oberflächenstruktur die auf der Haut liegt hindurch, von der anderen Seite kann der große Wassertropfen nicht eindringen.
Fazit nach vielen Schlechtwetter-Tagen: Trekking, Wandern, Fahrradfahren war technisch gesehen alles einwandfrei möglich. Auch das Tragen von schwereren Rucksäcken hat bisher kein Problem am Material erzeugt. Allerdings würde ich einer klassischen Hardshell-Jacke mit Nylon-Außenlage deutlich höhere Abriebsfestigkeit zusprechen. Die Jacke hat einen Zwei-Wege-Zipper der mir zumindest beim Fahrradfahren und stärkeren Anstiegen sehr zugute kommt. Napoleontaschen um keinen Ärger mit dem Rucksack zu bekommen, Armbelüftung für noch mehr Ventilation und eine extrem gut einstellbare Kapuze mit maximaler Flexibilität (sogar mit Helm darunter) kommt auf die absolut einzigartige Technologie von PARAMO obendrauf. Zunächst war für mich die Haptik etwas gewöhnungsbedürftig, da das Material sehr weich ist und daher in keinster Weise mit einer Hardshell vergleichbar ist. Mittlerweile bin ich darüber aber ausgesprochen froh: Es raschelt nichts und es fühlt sich sehr angenehm an – selbst auf blanker Haut. Außerdem ist die PARAMO Regenbekleidung super einfach zu Pflegen: Waschen und danach noch einen Durchlauf in der Waschmaschine mit einer Einwaschimprägnierung. Bei Hardshells ist eine Einwaschimprägnierung leider etwas kontraproduktiv, da beide Seiten abgedichtet werden und damit der Dampfdurchgang noch mehr erschwert wird. Hier ist eine Aufsprühimprägnierung zu empfehlen, die leider etwas aufwendiger zum Auftragen ist. Für mich ist die PARAMO Enduro Jacket eine Jacke, die ich in den Jahreszeiten Herbst, Winter und Frühling bei wirklich kalten Temperaturen nur wärmstens empfehlen kann, da sie durch den Pumpliner bessere Isolierungs-/Wärmespender-Eigenschaften hat, als eine klassische Hardshell und dabei ausreichend wasserabweisend und extrem dampfdurchlässig ist. Ich spreche hier absichtlich von wasserabweisend und nicht von wasserdicht, da die Definierung dabei sehr streng ist.

PARAMO Enduro Jacket – Quelle: Paramo Clothing, https://www.paramo-clothing.de/de-de/explore-range/product/
Fakt ist, ich bin trocken geblieben und das bei jedem noch so fiesen Wetter. Ein Punkt gibt es dabei allerdings doch: Ein schwerer Rucksack kann durchaus ein wenig Wasser bis zur Haut durchdrücken und somit ist es nicht immer die perfekte Jacke, wenn es um größere Lasten im Regen zu transportieren gibt. Allerdings nehme ich diesen Kompromiss gerne in Kauf, da ich mich dafür nicht von innen heraus nass schwitze und ziehe ein angenehmeres Trageklima sowie einen tollen Tragekomfort vor. Kleiner Tipp noch an dieser Stelle: Wollbekleidung unter der PARAMO Enduro Jacket wird zwar auch feucht, fühlt sich aber dennoch angenehm und wärmend an!
Eine kleine Vor- und Nachteile Auflistung:
Vorteile:
Hardshells:
-Kleines Packmaß
-Geringes Gewicht
-Hohe Abriebsfestigkeit
-Ist dicht bei schwerem Rucksackgewicht / hohem Druck
PARAMO:
-Extremer Dampfdurchgang
-Wärmespendend
-Tragekomfort (Weiche Haptik, kein Rascheln)
-Leicht zu Pflegen mit Einwaschimprägnierung
-Leicht reparierbar
Nachteile:
Hardshells:
-Wenig Dampfdurchgang
-Komplizierteres Pflegen
-Kaputte Membranen sind nicht nähbar (nur tapebar)
-Unangenehme Haptik (Rascheln)
PARAMO:
-Größeres Packmaß
-Für Temperaturen über 10°C zu warm beim Sport
-Schwerer als Hardshell
-Weniger Abriebsfest als Nylon
-Lässt bei hohem Druck Wasser durch