

Die spektakulären Landschaften Neuseelands lassen sich nicht nur gut mit dem Camper bereisen, sondern vor allen Dingen zu Fuß im Wanderschuh. So gelangt man an Orte weit ab vom Schuss in das wilde Herz dieses wunderschönen Landes. Ich hatte das Glück Neuseeland vor einigen Jahren für eine längere Zeit zu bereisen und entdeckte das Land größtenteils auf mehrtägigen Trekkingtouren. Der Fiordland Nationalpark auf der Südinsel zog mich besonders in seinen Bann, wo die Schönheit des Landes ihren absoluten Höhepunkt findet. Hier locken Urwälder mit moosbewachsenen Bäumen und torfigen Flüssen. Tiefblaue Fjorde werden hier von baumbehangenen Bergreihen gesäumt, die mit charakteristischen glazialen Abflussrinnen beschmückt sind. Als hätten Riesen mit ihren Pranken Furchen reingekratzt. Der Dusky Track ist ein Wanderweg der einläd, eine solch spektakuläre Landschaft für ein paar Tage zu erleben. Ein Weg der nicht zu unterschätzen gilt, bedarf es doch ein hohes physisches Fitnesslevel, sowie aufgrund der Abgeschiedenheit eine stabile Psyche und vorab eine gute Selbsteinschätzung. Gemeinsam mit einer Freundin wollte ich die 84 km laufen, für die 8-10 Tage eingeplant werden dürfen. Doch aus den 8-10 Tagen können schnell 2-3 Tage mehr werden, denn es gibt Wegabschnitte die bei starkem Regen überflutet werden und dadurch unpassierbar. So packten wir Proviant für 2 Tage mehr ein, auch falls wir einen Pausentag einlegen wollten. Auf dem Weg finden sich spartanisch ausgestattete Hütten mit Stockbetten und Öfen. Zeltplätze gibt es keine. Wir holten uns vorab einige wertvolle Tipps von einem einheimischen Jäger, sowie den Mitarbeitern vom Department of Conservation, das in Neuseeland sehr gute Informationen über Wegbeschaffenheit und die Nationalparks weitergibt. Wir statteten uns mit einem Notpeilsender aus, damit im Notfall ein Rettungshubschrauber angepeilt werden kann. Uns wurde auch empfohlen ein Bergradio auszuleihen für die Wetterprognosen. Aus Kostengründen entschlossen wir uns jedoch, keins mitzunehmen. Es war Ende März 2012, wir waren bereit für ein Abenteuer!
Tag 1: Lake Hauroko – Halfway Hut
Ein Shuttle brachte uns zum Lake Hauroko wo uns ein Wassertaxi über den See zum Trailhead brachte. Mit uns war eine 4-köpfige Truppe deutscher Jungs im Taxi, fitte Burschen, deren Rucksäcke um einiges leichter waren als unsere!? Wieso nur? Das fragten wir uns die ganze Zeit! Wir hatten für unsere Verhältnisse und die Gegebenheiten am Trail leicht gepackt, dennoch brachten unsere Rucksäcke 20+ Kilo auf die Waage…mmh. Der Fiordland Nationalpark gilt als einer der regenreichsten Regionen der Erde, doch wir hatten Glück: Die Sonne strahlte und der tiefste See Neuseelands zeigte sich von seiner schönsten Seite. Schon allein die Bootsüberfahrt war gigantisch. Wir brauchten fast 7 Stunden hoch bis zur Halfway Hut, die Trail-Broschüre sagte uns 4-6 Stunden Gehzeit (ohne Pause). Wir waren schon gut eingelaufen, denn wir waren bereits ein paar Trails in den letzten Wochen gelaufen. Allerdings waren unsere Rucksäcke ziemlich schwer, daran mussten sich die Beinchen auch erst gewöhnen. In der Nacht plagten mich Schnupfen und Nasenbluten, aber noch schlimmer: Mäuse knabberten ein ordentliches Stück meiner guten Gipfelschokolade weg! Sie wollten mir wohl mit dem Gewicht helfen…
Noch schnell ein Foto am Trailhead: Frisch geduscht und bereit für die Wildnis!
Wandern?? Wohl eher Kraxeln!
Tag 2: Halfway Hut – Lake Roe Hut
Am zweiten Tag ging es stetig bergauf. Parallel mit uns lief die Truppe Deutscher, sowie ein uriger Belgier der sich aus Plastiktüten und Tape Gamaschen gebastelt hatte. Bei einem der vielen kleinen Flussüberquerungen haute es mich hin und ich lag rücklings im Fluss. Der erste Turtle! (Nennt man so, weil man aussieht wie eine falschrumme Schildkröte!) Zum Glück war der Fluss nur knöcheltief. Oben an der Hütte angekommen erwartete uns ein wunderschöner Ausblick. Die deutschen Jungs machten sich auf den Weg zu einem nah gelegenen See der zum Baden einlud, unsere Beine waren müde und wir ruhten uns auf einer schönen Holzbank vor der Hütte aus und genossen die letzten Sonnenstrahlen. Außerdem wuschen sich die Jungs mit NICHT biologisch abbaubarem Shampoo im See! Wie uncool waren die denn!? Und warum waren ihre Rucksäcke so leicht??
Unsere Rucksäcke waren fast genauso groß wie wir!
Tag 3: Lake Roe Hut – Loch Maree Hut
Da wir mit frühstücken, packen und anziehen fast 2 Stunden benötigten, klingelte der Wecker morgens nun schon um 7 Uhr. Die gemütliche Holzbank vor unserer Hütte bot den perfekten Platz für unseren morgendlichen Tee. Wir genossen die Wärme des Tees an diesem noch frischen Morgen mit gigantischem Ausblick auf das umliegende Hochplateau und die Berge. Der Dusky Track führte an diesem Tag entlang des Hochplateaus, der Pleasant Range, von wo aus wir dank strahlendem Sonnenschein Aussicht auf den Dusky Sound hatten. Was für ein Geschenk! Ich konnte es kaum glauben, so weit sehen zu können. Cappy und Sonnencreme, sowie Sandfly-Mückenspray spendeten uns an diesem Tag viel Schutz. Nach einer wunderbaren Mittagspause führte der Weg steil bergab vom Plateau herunter zu unserer Hütte am Loch Maree See. Es war erst halb 5, wir schmissen die Rucksäcke in die noch unbemannte Hütte und da wir schon langsam rochen und eine Erfrischung brauchten, schnappten wir unsere Handtücher und liefen zum Fluss um zu baden. Ohne Mückenspray wäre das eine Qual geworden, denn die Sandflies fanden uns zum Anknabbern! Leider ist es mit den Sandflies so eine Sache. Eigentlich wirkt nur die heftige Chemie-Bombe, das harmlosere Ökospray hilft leider nichts. Das sagten uns auch viele Neuseeländer. Also hat man die Wahl: Entweder man erträgt es oder man sprüht sich gefühlt eine Dose Benzin auf die Haut. Ich war jedenfalls sehr froh an diesem Tag dieses Spray zu haben! Zurück in der Hütte angekommen war sie voller Leute. Zwei neuseeländische Jäger, eine Truppe Israelis, unser Belgier und die deutschen Jungs suchten sich ihr Schlafquartier für die Nacht. Doch die Hütte war zu voll und die hartgesonnenen Jäger schliefen ohne zu murren unter freiem Himmel. Die Israelis hatten ein Mountain Radio dabei, so erfuhren wir, dass uns die nächsten Tage ein Wetterwechsel mit viel Regen bevorstand.
Blick von der Pleasant Range: Der Dusky Sound in der Ferne
Tag 4: Loch Maree Hut – Supper Cove
Von der Loch Maree Hut aus hat man die Wahl: Entweder man wählt den direkten Weg zur nächsten Hütte oder man entscheidet sich für einen 2-tägigen Abstecher zum Dusky Sound. Wir entschieden uns für den Sound der dem Trail den Namen gibt. Denn wann ist man schonmal zu einem Sound, also einem neuseeländischen Fjord gelaufen? Doch das Wetter an diesem Morgen war grau und regnerisch. Der Weg überflutungsgefährdet. Der See an der Loch Maree Hut entstand damals als es einen Erdrutsch gab und der Fluss abgeklemmt worden ist. So wurde ein Teil des Waldes überflutet. Zig verrottete Baumstämme ragen bis heute aus dem See. Die Jäger sagten uns wenn wir die Baumstümpfe nicht mehr sehen können, dann sollen wir in der Loch Maree Hut ausharren, denn dann ist der Weg mit Sicherheit überflutet. 9 Stunden brauchten wir von Loch Maree bis zur Supper Cove Hut am Dusky Sound. Der Weg zog sich wie ein durchgeweichter Kaugummi. Der Weg führte durch tiefe Schlammlöcher und unzählige Bäche, wir kletterten über glitschige Felsen, Wurzeln und Baumstämme immer entlang des Sutherland Rivers der uns bis zum Dusky Sound begleitete. War der Weg wirklich das Ziel? Wir liefen wie alte Omas und ich war heilfroh als wir endlich an der Supper Cove Hut ankamen, das Feuer anwarfen und uns bei einem warmen Abendessen aufwärmten. Die Truppe Deutscher traf nach uns ein. Nun fanden wir auch endlich den Grund für ihre vergleichsweise leichten Rucksäcke: Sie aßen wie Spatzen. Das Frühstück bestand aus etwa ein Drittel der unseren Menge an Haferflocken, mittags gab es nur zwei Müsliriegel und am Abend immer die gleiche Sorte Instant-Nudeln, die gefühlt nur eine halbe Stunde satt machen. Die Laune der Jungs war auch nicht gerade die Beste, aber als wir ihnen einen Essenstausch für mehr Abwechslung in der Trekkingküche anboten erhellte sich die Stimmung sofort! Da lobe ich mir meine feine Outdoor-Luxus-Essensgüter die ich auf meinen Tracks immer dabei habe: Datteln, Schokolade, Nüsse und Kabapulver. Für eine gute Stimmung am Weg!!
Am Dusky Sound
Tag 5: Supper Cove Hut – Loch Maree Hut
Ich wollte diesen Weg nicht wieder zurück! Wir wussten genau was uns bevorstand, also schalteten wir auf Durchzug und liefen wie die Esel. Doch dann war es gar nicht so schlimm – besser noch: wir hatten Spaß. Der Track sah auf dem Rückweg doch wieder anders aus. Ständig haute es einen von uns hin und unsere Finger schwollen während des Laufens total an und glichen eher dicken Würsten als grazilen Damenfingern.
Tag 6: Loch Maree Hut
Wir entschieden uns einen Zwangs-Pausentag einzulegen, da es die Nacht durchgeregnet hatte und der Weg dadurch höchstwahrscheinlich überflutet war. Die vier Jungs taten es uns gleich. So verbrachten wir den Tag mit essen und Karten spielen. Wir erfuhren, dass einer der Jungs den gesamten Trail in seinen Converse Chucks lief. Auf seiner Weltreise hatte er sich fest vorgenommen, ausschließlich diese Schuhe zu tragen! Da sagt jemand, die Deutschen seien Über-Ausgerüstet! Der Wille machts möglich!!!
Tag 7: Loch Maree Hut – Kintail Hut
Es hörte einfach nicht auf zu regnen. Endlos konnten wir nicht warten, hatten wir doch nur Proviant für einen weiteren Pausentag dabei. Im Guide stand: „This section is rough underfoot and prone to flooding. It can be very difficult in wet weather.“ So entschlossen wir den Tag über gemeinsam mit den Jungs zu laufen. Schon nach wenigen sumpfigen Minuten wurde der Weg und der Fluss, der neben dem Trail entlang floss, eins. Nach nur drei Regentagen war das Gebiet schon stark überflutet…Wir hatten jedoch nur eine Option: Laufen! Denn wir wussten nicht wie das Wetter in den nächsten Tagen war. So mussten wir die Böschung neben dem Weg hoch und versuchen später wieder auf den Weg zu treffen. Es war ziemlich steil und nicht gerade einfach sich mit den schweren Rucksäcken an den nassen Wurzeln hochzuziehen und ungefährlich schon gleich gar nicht, war unter uns nichts als der Fluss. Abenteuer-Level: Bear Grylls! (Bloß, dass wir nicht gezwungen waren, Tier-Urin zu trinken, um zu überleben!) Später trafen wir wieder auf den Weg. Es war ein nasser Tag mit unzähligen Schlammlöchern, einmal ging uns das Wasser bis zur Brust, weil der Wasserpegel der Bäche in den letzen zwei Tagen heftig angestiegen war. Klitschnass und verfroren, aber glücklich es geschafft zu haben, kamen wir an der Kintail Hut an. Mit Müh und Not brachten wir das Feuer zum Laufen und ließen ein Handy mit Weckalarm in der Nacht rumgehen, damit jeder einmal nach einer Stunde Holz nachlegt. Das klappte natürlich nicht, wir verschliefen den Wecker und scheiterten daran unsere Sachen über Nacht zu trocknen.
Tag 8: Kintail Hut – Upper Sprey Hut
Die Jungs entschlossen noch einen Tag zu warten, bis ihre Sachen trocken waren. Sie hatten kaum trockene Wechselkleidung dabei. Wir hingegen schon und wollten weiterlaufen. So schlüpften wir in unser nasses Schuhwerk und liefen los. Beim dreistündigen Aufstieg auf den Centre Pass wurden die Füße relativ schnell warm und wir erreichten eine schneebedeckte Anhöhe. Dort oben begegnete uns ein Kea, ein neuseeländischer, intelligenter aber auch frecher Papageienvogel. Das war es dann auch schon mit wilden Tieren am Dusky Track. Der Wind blies uns die Hosen auf und wir hatten beim Abstieg Mühe zur Hütte zu kommen. Unseren letzten Abend genossen wir mit Kaba und dem Rest unserer obligatorischen Gipfelschokolade.
Tag 9: Upper Sprey Hut – West Arm, Manapouri
Um 7 Uhr wieder der Wecker. Nach leckerem Schoko-Porridge und Schwarztee wurde die Hütte sauber gefegt und wir schulterten unsere Rucksäcke für den letzten Tag. Leichter Nieselregen begleitete uns auf den letzen, unbeschwerlichen Kilometern. Wir hatten zu wenig getrunken, meiner Wanderfreundin war schwindelig und ich hatte Angst sie würde umkippen. Doch alles ging gut auf den letzten Metern und wir kamen unversehrt am Visitor Centre am Lake Manapouri an. Sich nach 9 Tagen wieder im Spiegel zu sehen ist seltsam. Wie glücklich man ohne diese Eitelkeiten wäre. Auf der Fährfahrt nach Manapouri riss der Himmel auf und wir genossen die wunderschöne Aussicht. Wir waren so glücklich es geschafft zu haben und waren plötzlich extrem aufgedreht. Ungeachtet der anderen Passagiere, machten wir Bilder von unseren durchgeweichten Omafüßen und Händen und rückblickend kann man auf den Bildern förmlich sehen, wie wir gerochen haben mochten. Aber alles unwichtig: Das wahre Glück steckt in den Wanderschuhen! Was die Natur, Bewegung und echte Freundschaft so für das eigene Seelenheil tun können, ist nicht in Worte zu fassen.